Startseite>Berichte>Weite und Fülle erleben

Dieser Artikel befindet sich im Archiv!

Weite und Fülle erleben

Psalm 31, 9: „Du stellst meine Füße auf weiten Raum.“ Dieser Satz kommt aus einem Psalm, in dem ein Mensch Gott um Hilfe bittet, aber auch sein Vertrauen und seinen Dank ausspricht, dass Gott ihn retten wird.

 

Das hat er auch nötig, denn dieser Mensch, der dort betet, hat gerade alles andere als weiten Raum unter
seinen Füßen. Es ist eng für ihn geworden, er spricht von dem ‚Netz‘, in dem man ihn fangen will. Doch im
Vertrauen auf Gott wechselt seine Perspektive: Er sieht neue Lebenschancen für sich, sein Leben erscheint ihm nicht mehr eng und bedroht, sondern als weiter Raum.

 

Vielen von uns kam die Welt in den letzten Monaten auch sehr eng vor, ein bisschen kleiner geworden war der Raum um uns, in der Einraumwohnung im Lockdown, durch abgesagte Reisen, weniger Kontakte. Eng wurde es vielleicht auch am Ende des Monats auf dem Konto, wenn Kurzarbeit angesagt war oder Jobverlust. Bei wiederum anderen wurde es eng im Kalender, eine Krisensitzung nach der anderen, alles neu und anders planen, Weiterbildungen für digitale Medien besuchen.

 

Im 2. Korintherbrief spricht Paulus davon, dass wir unser Herz weit machen sollen. Die Enge kommt nicht
von außen. Sie kommt aus uns selbst. Wenn wir verletzt werden, wenn wir gekränkt sind, uns ungerecht behandelt fühlen, dann wird unser Herz oft klein. Und je enger und kleiner unser Herz wird, um so schwieriger wird es, die Weite zu sehen, die Gott uns schenkt.

 

Doch Gott schenkt uns kein „kleines“ Leben. Er hat ein Leben in Fülle für uns vorbereitet. Selbst in der persönlichen Lebenskrise oder in einer weltweiten Pandemie. Also möchte ich meine Perspektive ändern, dankbar sein für unsere weltweite CVJM-Gemeinschaft, für digitale Medien, dafür, dass man sich auch geistig nah sein kann ohne körperliche Nähe.

 

Aber so leicht ist das leider nicht, einfach die Perspektive zu ändern, sich einfach zu entschließen, dankbar zu sein. Wie geht das? Wie stelle ich das an? Manchmal gelingt es mir im Gebet. Vielleicht beginnt es als Klagegebet und Gott selbst schenkt mir die Dankbarkeit. Vielleicht ist es ein bereits geschriebenes Dankgebet, welches ich ‘runterbete und das mit jedem Dank spürbarer wird.

 

Eine andere Erfahrung, die ich machen durfte, ist die Gemeinschaft, in die Gott uns stellt. Auch wenn es gerade eine Gemeinschaft mit Abstand ist. Mir hilft es, die Perspektiven anderer zu hören oder mir meine Situation durch die Augen und Ohren von anderen spiegeln zu lassen.
So bin ich Ende August gemeinsam mit Anne-Maria Apelt zu einem Naturritual im Spreewald aufgebrochen, eine kleine Lebensentdeckungsreise, wie Anne-Maria es nennt. Ich habe den Tag allein im Wald verbracht und später am Feuer meine Erlebnisse mit anderen geteilt,
die es ebenso gemacht haben. Und obwohl ich so eine Reise zu mir selbst mag, die Natur liebe und mehr als einmal beschenkt wurde, bekam ich schnell Zweifel, wie ich da so allein durch den Nieselregen stapfte. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass der Tag noch lang war und ich ärgerte mich über die Empfehlung von Anne-Maria, zu fasten. Jetzt wenigstens ein Picknick dabei haben, dachte ich mir. Dann lief mir zumindest ein Reh vor die Füße. Immerhin kannst du das nachher erzählen, dachte ich mir.

 

Von dem Reh habe ich später nichts erzählt, und es ist auch nicht wichtig, was ich erzählt habe. Wichtig ist nur, dass die Geschichte, die Anne-Maria mir spiegelte, die Geschichte von einer Frau, die in den Wald ging, um loszulassen, eine andere Geschichte war, als die, die ich gerade erzählt hatte und doch die gleiche. Und dass ich das spüren konnte, dass auch diese Geschichte zu mir gehörte. Alles, was ich zu erzählen hatte, klang für mich in meinen Ohren unspektakulär. Es als Geschichte von Anne-Maria zu hören, rührte mich zu Tränen, befreienden Tränen.

 

Ich hatte mich leer gemacht. Meine Erwartungen zurückgelassen, mein Essen, meine Termine, meine Erreichbarkeit. Und ich wurde neu gefüllt mit Natur, mit Ruhe, mit Frieden, mit Gott. Ich habe meine Füße auf weiten Raum stellen lassen. Und dieser weite Raum hatte weniger mit der Größe des Spreewaldes zu tun, sondern mit der Weite meines Herzens.

 

Petra Lampe


Mehr zu Lebensentdeckungsreisen:
https://www.anne-maria-apelt.de